Schuld und Scham

Schuld und Scham aus der Perspektive der Gewaltfreien Kommunikation

1. Unterscheidung von Schuld und Scham

Schuld und Scham sind zwei emotionale Zustände, die häufig miteinander verwechselt werden, aber unterschiedliche Bedeutungen und Auswirkungen haben. Schuld entsteht in der Regel, wenn wir dein Eindruck haben, eine bestimmte Handlung begangen zu haben, die gegen unsere eigenen oder die Erwartungen anderer verstösst. Sie bezieht sich also auf unser Verhalten und kann uns dazu motivieren, Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen und achtsam mit anderen umzugehen.

Scham hingegen betrifft unser Selbstbild. Sie tritt auf, wenn wir uns als Person als unzureichend oder minderwertig empfinden. Scham führt oft zu einem Gefühl der Isolation und des Rückzugs, da wir glauben, in unseren Grundfesten mangelhaft zu sein.

2. Natürliche, ursprüngliche, lebensdienliche Art von Schuld und Scham, wofür die uns dienen

Im ursprünglichen Sinne haben Schuld und Scham eine lebensdienliche Funktion. Schuld kann uns auf „Fehlverhalten“ aufmerksam machen und uns dazu anregen, Verantwortung zu übernehmen und Veränderungen vorzunehmen. Sie hilft uns, in Einklang mit dem sozialen Gefüge zu bleiben, wichtiger noch, im Einklang mit den allseitig vorhandenen Bedürfnissen zu bleiben.

Fehlverhalten meint hier ein Verhalten, das (in der Regel unbeabsichtigt und in bester Absicht), nicht die Wirkung auf mich oder andere hatte, die erhofft war und damit Bedürfnisse beeinträchtigt wurden.

Scham kann ebenfalls eine schützende Funktion haben, indem sie uns signalisiert, wenn wir uns ausserhalb sozialer Gepflogenheiten bewegen. Auch hier noch wichtiger sind die Bedürfnisse der Beteiligten Menschen. Scham kann uns daran erinnern, uns selbst und andere mit Respekt zu behandeln und uns in Gemeinschaften so zu verhalten, dass wir Verbundenheit und Zugehörigkeit fördern. Letzteres wird durch bewussteres Nähren der allseitigen Bedürfnisse erlangt.

3. Gesellschaftliches Ausnutzen durch Beschuldigen und Beschämen um Macht über andere zu haben und zu beeinflussen

In vielen gesellschaftlichen Strukturen wird Schuld und Scham bewusst eingesetzt, um Kontrolle und Macht über andere zu erlangen. Dies kann auf verschiedenen Ebenen geschehen, sei es in der Familie, in der Schule, am Arbeitsplatz oder in grösseren sozialen Kontexten.

Durch Beschuldigen werden Menschen oft dazu gebracht, sich schuldig zu fühlen, was sie dazu motiviert, ihr Verhalten zu ändern, um den Erwartungen anderer gerecht zu werden, damit das unangenehme Gefühl der Schuld ablegen zu können. Dies kann Machtstrukturen festigen, da die beschuldigte Person versucht, den Schaden zu beheben und ihre Stellung wiederherzustellen. Doch die erhoffte Erleichterung tritt nicht ein, solange das Konzept der Schuld in dieser Art in uns lebendig bleibt.

Beschämen geht noch tiefer, indem es das Selbstwertgefühl einer Person angreift. Wenn jemand sich für sein Wesen schämt, ist er leichter manipulierbar und neigt dazu, sich anzupassen, um akzeptiert zu werden. Diese Taktiken dienen oft dazu, Menschen klein zu halten und sie gefügig zu machen, indem sie ihre eigene Wertigkeit in Frage stellen. Auch hier führt das faktische unterordnen nicht zur erhofften Erleichterung, ganz im Gegenteil nimmt der Selbstwert stetig mehr ab.

4. Wie die betroffenen Bedürfnisse vor und nach der Beschuldigung oder Beschämung mit der GFK gewürdigt werden können

Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) bietet wertvolle Werkzeuge, um die Bedürfnisse, die hinter Schuld und Scham stehen, zu erkennen und zu würdigen.

Vor der Beschuldigung oder Beschämung:

  • Selbstempathie: Indem wir uns selbst mitfühlend zuhören, können wir unsere eigenen Gefühle und Bedürfnisse besser verstehen. Dies hilft uns, authentisch zu handeln, ohne uns durch Schuld oder Scham manipulieren zu lassen.

     

Nach der Beschuldigung oder Beschämung:

  • Empathie geben und empfangen: Indem wir uns selbst und anderen Empathie schenken, können wir die tieferliegenden Bedürfnisse und Gefühle erkennen, die durch Schuld und Scham ausgelöst wurden. Dies fördert Heilung und Verbindung.
  • Verantwortung ohne Selbstverurteilung: GFK ermutigt uns, Verantwortung für unser Denken und Handeln zu übernehmen, ohne uns selbst zu verurteilen. Dies bedeutet, konstruktiv aus Fehlern zu lernen und Massnahmen zu ergreifen, um wieder in erbindung zu kommen, ohne unser Selbstwertgefühl zu untergraben.
  • Transformierende Scham: Indem wir die Botschaft der Scham annehmen und hinterfragen (was meist in übernommenen Wertvorstellungen gründet), können wir lernen, uns selbst bedingungslos zu akzeptieren und unser Verhalten zu ändern, um authentischer und lebensdienlicher zu handeln.

Durch die Anwendung der Prinzipien der Gewaltfreien Kommunikation können wir Schuld und Scham als wertvolle Hinweise nutzen, um unsere Bedürfnisse und die der anderen zu erkennen und zu würdigen. So tragen wir zu einer Kultur bei, die auf Mitgefühl, Verständnis und authentischer Verbindung basiert.

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